Biozide
Biozidprodukte sind Stoffe oder Gemische, die bestimmungsgemäß die Eigenschaft haben, Schadorganismen auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Diese Eigenschaft haben Biozide mit Pflanzenschutzmitteln gemein. Im Gegensatz zu Pflanzenschutzmitteln, welche im Agrarbereich, in Gärten und Kleingärten eingesetzt werden, werden Biozide zur Bekämpfung von Schadorganismen im nichtlandwirtschaftlichen Bereich genutzt, so z. B. als
- Holzschutzmittel,
- Desinfektionsmittel,
- Insektenvertilgungsmittel,
- Rattengift und
- Antifouling-Produkte.
Rechtliche Regelungen
Grundlegendes Regelwerk ist die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-Verordnung). Ergänzend hierzu enthält das Chemikaliengesetz Regelungen zu Bioziden. Darüber hinaus gibt es die Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV). Diese löst die bisherige Biozid-Meldeverordnung und die Biozid-Zulassungsverordnung ab. Mit dieser Verordnung werden erstmalig Anforderungen an die Abgabe von Biozidprodukten festgelegt (Verbot der Selbstbedienung für bestimmte Biozidprodukte, Anforderungen an die abgebende Person, Abgabegespräch, Anforderungen an die Abgabe im Online- und Versandhandel, Sachkunde für die Abgabe). Diese dienen in erster Linie dazu, die Einhaltung der inhaltlichen Vorgaben der Zulassungen aus der Biozid-Verordnung für Biozidprodukte sicherzustellen. Die Abgaberegelungen sind mit Ausnahme von § 9 des Chemikaliengesetzes („Geltung von Zulassungsbeschränkungen für die Abgabe“) erst ab 1. Januar 2025 anzuwenden.
Nach der Biozid-Verordnung müssen Biozidprodukte vor der Bereitstellung auf dem Markt und dem Verwenden zugelassen werden. Bei der Zulassung werden Biozidprodukte einer sorgfältigen Prüfung und Bewertung der Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit des Menschen unterzogen. Für Biozidprodukte mit so genannten Altwirkstoffen gelten Übergangsregelungen.
Die Zulassung von Biozidprodukten ist ein zweistufiges Verfahren:
- Erste Voraussetzung für die Zulassung eines Biozidproduktes ist, dass die darin enthaltenen Wirkstoffe für die jeweilige Produktart genehmigt und damit in die Unionsliste der genehmigten Wirkstoffe aufgenommen sind. Die Genehmigung der Wirkstoffe erfolgt auf Ebene der Europäischen Union.
- Anschließend werden die solche biozide Wirkstoffe enthaltenen Biozidprodukte zugelassen. Die mit der Zulassung erteilte Zulassungsnummer muss auf dem Etikett des Biozidproduktes aufgebracht werden.
Bei Wirkstoffen wird zwischen »alten« und »neuen« Wirkstoffen unterschieden. »Altwirkstoffe« sind alle Wirkstoffe, die bereits vor dem 14. Mai 2000 auf dem europäischen Markt waren. Für diese und die solche Wirkstoffe enthaltenen Biozidprodukte können bestimmte Übergangsregelungen in Anspruch genommen werden. Danach können bzw. konnten Biozidprodukte mit solchen Wirkstoffen noch bis zu einem bestimmten Stichtag ohne Zulassung vermarktet werden. Allerdings müssen diese Produkte nach der nationalen Biozidrechts-Durchführungsverordnung vor dem ersten Inverkehrbringen bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gemeldet werden. Gemeldete Biozidprodukte erhalten eine Registriernummer, welche auf dem Produkt aufzubringen ist.
Ein Biozidprodukt ist somit nur vermarktungsfähig, wenn es
- zugelassen ist (Zulassungsnummer auf Etikett) oder
- den Übergangsregelungen unterfällt und registriert ist (Registriernummer auf Etikett)
Darüber hinaus ist Artikel 95 Absatz 2 Biozid-Verordnung zu beachten. Danach darf ein Biozidprodukt, das aus einem in der von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) veröffentlichten Liste(»Artikel 95-Liste«) aufgeführten Stoff besteht, diesen enthält oder erzeugt, nur dann vermarktet werden, wenn der Stoffwechselhersteller/-lieferant oder der Biozidprodukthersteller/-lieferant in der Liste für die entsprechende Produktart aufgeführt ist.
Übergangsregelungen für »Alt-Biozide«
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Übergangsregelungen ist, dass die in den Biozidprodukten enthaltenen Wirkstoffe in Anhang II Teil 1 der Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 (Liste der notifizierten Wirkstoffe) aufgeführt sind und sich somit im Prüfprogramm für Altwirkstoffe befinden. Diese Wirkstoffe sind in der Liste der notifizierten Wirkstoffe den Produktarten zugeordnet, für die sie in der Übergangszeit weiter verkehrsfähig sind. Die Übergangsregelungen gelten längstens bis zum 31. Dezember 2024. Im Einzelnen gilt für die Übergangszeit in Abhängigkeit der Aufarbeitung der einzelnen Altwirkstoffe Folgendes:
Entscheidung über die Genehmigung eines Wirkstoffes |
Inanspruchnahme der Übergangsregelungen |
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Eine Entscheidung über eine Genehmigung eines notifizierten Wirkstoffes steht noch aus. |
Die Übergangsregelungen können für den Wirkstoff enthaltende Biozidprodukte in Anspruch genommen werden, d. h. eine weitere Vermarktung und Verwendung ohne Zulassung ist möglich. |
Es wurde eine Entscheidung getroffen, einen Wirkstoff für eine bestimmte Produktart nicht zu genehmigen. |
Ein Jahr nach Veröffentlichung der Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union ist die Vermarktung und Verwendung von Biozidprodukten, die den betreffenden Wirkstoff enthalten, verboten, sofern in der Entscheidung der EU-Kommission nichts anderes bestimmt ist. |
Für einen Wirkstoff wurde für eine Produktart eine »positive« Entscheidung getroffen. |
Enthält ein Biozidprodukt weitere Altwirkstoffe und stehen für diese noch die Entscheidungen über eine Genehmigung aus, so können für die betreffenden Produkte die Übergangsregelungen weiter in Anspruch genommen werden. Spätestens zum Zeitpunkt der Genehmigung des letzten zu genehmigenden Wirkstoffes der in einem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoffe muss ein vollständiger Antrag auf Zulassung oder Anerkennung einer ausländischen Zulassung des Produktes bei der Zulassungsstelle eingereicht werden. Wird ein Antrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt oder abgelehnt, endet die Vermarktungsfähigkeit des betreffenden Produktes nach 180 Tagen. Das Verwendungsverbot greift nach 365 Tagen. |
Alle Biozidprodukte, die von den Übergangsregelungen für Altwirkstoffe profitieren, dürfen nach der Biozidrechts-Durchführungsverordnung im Geltungsbereich dieser Verordnung nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn diese vor der erstmaligen Bereitstellung bei der Bundesstelle für Chemikalien (BfC) gemeldet wurden und auf dem Produkt die von der BfC erteilte Registriernummer aufgebracht ist.
Weitere Informationen:
Informationen zu Übergangsregelungen für Biozidprodukte
Informationen zum neuen Meldeverfahren nach der Biozidrechts-Durchführungsverordnung
Zulassung von Biozidprodukten
Die Biozid-Verordnung sieht verschiedene Verfahren der Zulassung vor:
- die nationale Zulassung
- die vereinfachte Zulassung
- die gegenseitige Anerkennung
- die Unionszulassung
Neben einzelnen Biozidprodukten können auch Biozidproduktfamilien zugelassen werden.
Datenbank der in Deutschland zugelassenen Biozidprodukte
Ein Antrag auf nationale Zulassung ist bei der jeweils zuständigen nationalen Behörde zu stellen. Die Zulassung gilt nur in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde. Soll ein national zugelassenes Biozidprodukt in einem weiteren EU-Mitgliedstaat vermarktet werden, muss ein Eintrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt werden.
Die vereinfachte Zulassung ist für Produkte mit niedrigen Risikopotenzial vorgesehen. Die in den Produkten enthaltenen Wirkstoffe müssen in Anhang I der Biozid-Verordnung gelistet sein. Darüber hinaus
- dürfen solche Produkte keine bedenklichen Stoffe und Nanomaterialien enthalten,
- müssen sie hinreichend wirksam sein und
- dürfen für deren Handhabung keine persönlichen Schutzausrüstungen erforderlich sein.
Anträge auf vereinfachte Zulassung sind bei der ECHA zu stellen.
Ein Antrag auf gegenseitigen Anerkennung kann zu einem bereits national zugelassenen Biozidprodukt (nachfolgende gegenseitige Antragstellung) oder parallel zu einem nationalem Zulassungsverfahren (parallele gegenseitige Anerkennung) gestellt werden.
Anträge auf Unionszulassung sind bei der ECHA zu stellen. Derartige Zulassungen gelten in der gesamten Union. Unionszulassungen sind für folgende Produktarten nicht möglich:
- Produktart 14: Rodentizide
- Produktart 15: Avizide
- Produktart 17: Fischbekämpfungsmittel
- Produktart 20: Produkte gegen sonstige Wirbeltiere
- Produktart 21: Antifoulingfarben.
Für alle anderen Produktarten wird die Unionszulassung schrittweise bis zum 1. Januar 2020 eingeführt. Für Biozidprodukte mit neuen Wirkstoffen und Produkten der Produktarten 1, 3, 4, 5, 18 und 19 ist diese bereits seit 1. September 2013 möglich, für die Produktarten 2, 6 und 13 ab 1. Januar 2017. Für alle anderen Produktarten gilt sie ab 1. Januar 2020.
Produktarten
Die Biozidproduktarten sind im Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung aufgeführt und mit möglichen Verwendungen beschrieben. Insgesamt gibt es 22 Produktarten, die vier Hauptgruppen zugeordnet sind.
Diese Produktarten umfassen keine Reinigungsmittel, bei denen eine biozide Wirkung nicht beabsichtigtist. Dies gilt auch für Waschflüssigkeiten, Waschpulver und ähnliche Produkte. |
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Produktart 1 |
Menschliche Hygiene |
Produktart 2 |
Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind |
Produktart 3 |
Hygiene im Veterinärbereich |
Produktart 4 |
Lebens- und Futtermittelbereich |
Produktart 5 |
Trinkwasser |
Sofern nicht anders angegeben, umfassen diese Produktarten nur Produkte zur Verhütung der Entstehung von Mikroben und Algen. |
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Produktart 6 |
Schutzmittel für Produkte während der Lagerung |
Produktart 7 |
Beschichtungsschutzmittel |
Produktart 8 |
Holzschutzmittel |
Produktart 9 |
Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien |
Produktart 10 |
Schutzmittel für Baumaterialien |
Produktart 11 |
Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen |
Produktart 12 |
Schleimbekämpfungsmittel |
Produktart 13 |
Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten |
Produktart 14 |
Rodentizide |
Produktart 15 |
Avizide |
Produktart 16 |
Bekämpfungsmittel gegen Mollusken und Würmer und Produkte gegen andere Wirbellose |
Produktart 17 |
Fischbekämpfungsmittel |
Produktart 18 |
Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden |
Produktart 19 |
Repellentien und Lockmittel |
Produktart 20 |
Produkte gegen sonstige Wirbeltiere |
Produktart 21 |
Antifouling-Produkte |
Produktart 22 |
Flüssigkeiten für Einbalsamierungen und Taxidermie |
Die zu den einzelnen Produktarten in Anhang V der Biozid-Verordnung enthaltene Beschreibung finden Sie u. a. hier:
Behandelte Waren
Nach der Biozid-Verordnung sind unter behandelten Waren alle Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse zu verstehen, die mit einem oder mehreren Biozidprodukten behandelt wurden oder denen ein oder mehrere Biozidprodukte absichtlich zugesetzt wurden. Die Produktpalette ist groß und umfasst zum Beispiel
- Textilien mit antimikrobiellen Zusätzen zur Geruchsvermeidung
- Farben und Lacke, denen Biozidprodukte zur Vermeidung von mikrobiellen Schädigungen während der Lagerung zugesetzt sind
- mit Biozidprodukten behandelte Hölzer
- Kühlschränke, die antibakteriell ausgerüstet sind.
Nach der Verordnung dürfen behandelte Waren seit dem 1. März 2017 nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn der zur Behandlung verwendete Wirkstoff eine der folgenden Voraussetzungen für die entsprechende Produktart erfüllt:
- Der Wirkstoff ist genehmigt.
- Der Wirkstoff ist im Arbeitsprogramm für Altwirkstoffe gelistet und es liegt noch keine Entscheidung über die Nichtgenehmigung des Wirkstoffs vor.
- Es wurde für den Wirkstoff bis zum 1. September 2016 ein Antrag auf Genehmigung gestellt und es liegt noch keine Entscheidung über die Ablehnung des Antrags vor.
Bei Nichtgenehmigungen eines Wirkstoffes/Ablehnung eines Antrages auf Genehmigung dürfen die betreffend behandelten Waren nach 180 Tage nach dieser Entscheidung in den Verkehr gebracht werden.
Zusätzlich bestehen für behandelte Waren bestimmte biozidrechtliche Kennzeichnungspflichten, wenn
- bei einer behandelten Ware, die ein Biozidprodukt enthält, der Hersteller dieser behandelten Ware Angaben zu bioziden Eigenschaften dieser Ware macht, oder
- für den bzw. die betroffene(n) Wirkstoff(e) die Bedingungen der Genehmigung des Wirkstoffs dies erfordern.
Darüber hinaus müssen Lieferanten Verbrauchern auf Antrag kostenlos Informationen über die biozide Behandlung der Ware zur Verfügung stellen.
Neben den o. g. behandelten Waren werden in der Biozid-Verordnung auch behandelte Waren mit primärer Biozidfunktion geregelt. Derartige Waren gelten nach Artikel 3 Absatz 1 a) Biozid-Verordnung als Biozidprodukte und müssen als solche zugelassen werden. Beispiele für behandelte Waren mit primärer Biozidfunktion gibt es wenige. Genannt sei hier ein Moskitonetz, welches zur Abwehr von Moskitos mit Insektiziden behandelt ist.
Zuständige Behörden
Zulassungsstelle für Biozidprodukte in Deutschland ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund.
Zuständig für den Vollzug der Vorschriften im Freistaat Sachsen ist die Landesdirektion Sachsen.
Bei der BAuA ist zudem die nationale Auskunftsstelle für Hersteller, Importeure und Anwender von chemischen Stoffen und Biozidprodukten eingerichtet, der so genannte REACH-CLP-Biozid Helpdesk.